kora_kora (Auszug aus der Eröffnungsrede, 22. April 2022)
Kreise überlagern sich, schließen sich zusammen, ändern die Richtung, werden zu größeren Schlangenlinien, Strängen oder Bändern, die großflächig und freizügig über die Fassade laufen, um an anderer Stelle wieder in der ornamentalen Struktur zu versinken. Vorder- und Hintergrund bilden sich aus.
Unmittelbar und im Vorbeigehen überwiegen die wohlig warmen Orangetöne. Wer allerdings stehen bleibt, gerät möglicherweise etwas ins Schwanken, wenn er seinem Impuls folgt und den Verlauf der ein oder anderen Linie mit dem Auge nachzuvollziehen versucht. Er oder Sie sieht sich einerm Strukturgefüge ausgesetzt, das sich zwar in einer gewissen Gleichmäßigkeit (gleichmäßige All-over Struktur) über die gesamte Fassadenflächen (als ornamentales Gewand des Baukörpers) erstreckt, aber es ist ein Motiv, welches sich vor allem auch als ein dichtes Netz, ein undurchdringliches Geflecht, als eine Herausforderung für die Lesbarkeit darstellt. In Gänze betrachtet kann man an dieser Stelle von einem semantischen Dschungel sprechen, dessen sinnliche Freude von dem Versuch der visuellen Druchdringung lebt.
Sicher, hier genau liegt auch das gewagte Moment einer solchen bildlichen Analge, sie fordert heraus. Sie fordert heraus, da sie genau auf diese Grenze der Lesbarkeit verweist, bei der die Herausforderung von der Überforderung nicht weit entfernt scheint. Es geht mir aber – und ich hoffe dieses Gleichgewicht gewahrt zu haben – um eine lustbringende Aktivierung der sinnlichen Kompentenzen, die Erfahrung der Möglichkeit der heiteren Lösbarkeit und die Lust an der Orientierung in einer komplexen Welt.
Es ist eine Übung, ein ästhetischer Erfahrungsraum, in dem wir die lebendige Tätigkeit des Auges selbst erleben können und in dem wir die alltägliche Herausforderung der Sinnesleistung bewusst vor Augen geführt bekommen. Es geht um eine positive und dynamische Stimulation der Sinne und um die Liebe des Auges zum freien Spiel aus Farbe und Form.
© PRHS _ April 2022